Titel: Ich hätte es wissen müssen
Autor: Tom Leveen
Genre: Roman
Erschienen: 27.07.2015
Verlag: Hanser
Seiten: 208
erhältlich als: Broschur, eBook
Reihe: nein
heißt Andy und behauptet, Tori rein zufällig angerufen zu haben. Andy
bittet Tori, ihm einen einzigen Grund zu nennen, warum er nicht
Selbstmord begehen soll. Ausgerechnet Tori! Sie, die beschuldigt wird,
mit ihren Posts auf Facebook einen Mitschüler in den Freitod getrieben
zu haben. Will Andy sie nur vorführen? Aber was, wenn er die Wahrheit
sagt? Wenn er wirklich seine große Liebe verloren hat? Und nun mit
seinem Wagen an der Klippe steht, bereit, sich hinunterzustürzen? Tori
muss etwas einfallen, und zwar schnell! Freundschaft in den Zeiten von
Social Media – ein spannender Roman zu einem aktuellen Thema. “ [Quelle: klick]
Sie hämmern jetzt schon über eine Stunde an unsere Haustür, exakt so lange, wie Dad brauchte, um seinen berühmten Kartoffelbrei mit Knoblauch zu machen.
Die 16 jährige Victoria hat durch einige blöde Dummheiten dazu beigetragen, dass sich ihr ehemaliger recht guter Freund Kevin Cooper das Leben genommen hat. Durch Mobbing bei Facebook hat er nicht mehr weiter gewusst und sein Leben beendet, weswegen sich nun eine Gruppe Jugendlicher vor Gericht verantworten muss. Darunter ist auch Victoria, die gar nicht so recht weiß wie ihr geschieht denn sie ist sich ihrer Mitschuld nicht bewusst. Es waren doch nur ein paar harmlose Sprüche, die sie Kevin im Internet geschrieben hat, nichts ernstes. Doch wenn sich ein Junge deswegen das Leben nimmt dann wird aus Spaß sehr schnell Ernst und mit dieser Erkenntnis muss Victoria jetzt umgehen.
Ihre Familie redet kaum noch mit ihr, allen voran ihr Bruder, der Victoria wirklich zu verachten scheint. Der einzige, den sie noch hat, ist ihr guter Freund Noah.
in „Ich hätte es wissen müssen“ werden die Folgen von Mobbing näher beleuchtet
In der Nacht vor ihrer Gerichtsverhandlung geschieht etwas, womit Victoria überhaupt nicht gerechnet hat und was sie vollends aus der Bahn zu werfen droht: Sie wird von einem ihr unbekannten Jungen angerufen, der vorgibt zufällig irgendeine Telefonnummer in der Gegend angerufen zu haben, als letzten Hoffnungsschimmer bevor er sich selbst sein Leben nimmt.
Als der mysteriöse Anruf von Andrew auf Victorias Handy eintrifft, weiß sie noch nicht wie die nächsten Stunden verlaufen werden. Zunächst denkt Victoria, dass sich mal wieder nur ein weiterer hasserfüllter Jugendlicher einen üblen Scherz mit ihr erlaubt denn sie ist in aller Munde. Wegen ihr und ein paar ihrer Freunde hat sich ein Junge das Leben genommen doch verantwortlich sieht sie sich nicht. Sie hat ihm ja schließlich nicht den Schal um den Hals gehängt, mit dem Kevin Selbstmord begang. Es waren doch nur ein paar harmlose Sprüche im Internet.
„Nein“, sagt er, „du bist nicht schuldig. Aber zwischen unschuldig und nicht schuldig gibt es einen riesigen Unterschied.“ – Seite 191
Erst der fremde Andrew schafft es, Victorias Verantwortungsgefühl zum Leben zu erwecken. Sie fühlt sich gezwungen Andrew von seinem Vorhaben abzubringen und bleibt deswegen in der Leitung und spricht mit ihm. Später kommt noch ihr Freund Noah hinzu und so vergeht Stück für Stück eine Nacht, in der Victoria zum ersten Mal Verantwortung für einen anderen Menschen übernimmt.
Victoria ist mir nicht unsympathisch, wirkt aber doch sehr naiv auf mich. Sie scheint ganz erfolgreich zu verdrängen, dass Kevin sich umgebracht hat, sie sieht ihre Schuld gar nicht. Sie entschuldigt sich bei seiner Mutter und sagt ständig dass ihr alles leid tut, aber sie meint es tief in ihrem Inneren gar nicht so weil die Geschehnisse gar nicht bis zu ihrem Herzen durchdringen. Als sie sich dann mit Andrew und seinen Selbstmord-Plänen konfrontiert sieht, muss sie sich Stück für Stück eingestehen, dass ihr Weltbild nicht die ganze Wahrheit ist. Andrew stellt die richtigen Fragen und verpasst Victoria die richtigen Seitenhiebe um ihre mühsam errichtete gleichgültige Fassade zum einstürzen zu bringen.
„Weil genau das bedeutet es, wenn man tot ist“, sagt Andy. „Es ist die Steigerung von ’niemals‘. Niemals wieder, niemals dies, niemals das. Vom Niemals kommt man nicht mehr zurück. Das Niemals kann man nicht genießen. Man sitzt nur da, existiert nicht, kann seine Lieblingslieder nie mehr hören und seine Leibspeise nie mehr essen. Niemals.“ – Seite 189
Auch wenn „Ich hätte es wissen müssen“ kein literarisches Meisterwerk und mit seinen 208 Seiten auch sehr schnell gelesen ist, so hat es mich doch sehr gut unterhalten. Ich kann nicht sagen dass ich nun anders über Cybermobbing bzw. Homophobie denke, weil ich diese Themen schon im Vorfeld für stark unterschätzt gehalten habe, aber ich denke es regt vielleicht den ein oder anderen Jugendlichen, der es nun liest, dazu an mal über seine Worte besser nachzudenken.
Das Thema Mobbing im Internet ist ein sehr brisantes Thema, welches durch einen Roman nicht gelöst werden kann. Wenn aber nur ein einziger Jugendlicher durch dieses Buch erkennt, dass es viel klüger ist einzuschreiten als mit dem Strom mitzuschwimmen und so Menschen ungewollt tief zu verletzen, dann haben sich diese 208 Seiten mehr als ausgezahlt!
Ich hab „Ich hätte es wissen müssen“ sehr gerne gelesen und konnte auch noch gegen Ende mit einer Wendung gut überrascht werden, auch wenn sich andere Aspekte für mich schon früh aufklärten. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.
Tom Leveen ist Mitgründer von Chyro Arts Venue, einem Kunstraum, der darstellenden und bildenden Künstlern Auftrittsmöglichkeiten bietet. Als
dortiger Leiter organisierte er seit 1988 Ausstellungen, Konzerte und Events und führte in mehr als 30 Stücken Regie. Inzwischen ist er hauptsächlich Schriftsteller und hat bereits fünf Jugendromane
geschrieben. Leveen stammt aus Arizona und lebt dort mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn. Nach seinem Debüt Party (2013) folgt nun sein zweites Jugendbuch bei Hanser: Ich hätte es wissen müssen.
Herzlichen Dank an Vorablesen für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!