Lilly Lindner – Bevor ich falle [Rezension]

Titel: Bevor ich falle
Autor: Lilly Lindner
Genre: Roman
Erschienen: 26.09.2012
Verlag: Droemer Knaur
Seiten: 304
erhältlich als: Broschur, eBook
Reihe: nein

„»Ich war neun Jahre alt, als meine Mutter beschlossen hat, dass sie das
Leben nicht mehr mag. Sie hat mich hochgehoben und ganz fest in ihre
Arme geschlossen, dann hat sie mir einen Gutenachtkuss gegeben und mich in mein Bett gelegt. Meine gelbe Giraffe lag neben mir und die bunte Kuscheldecke auch. Ich weiß das noch so genau, als wäre es heute
gewesen. Dabei sind Jahre vergangen, seit diesem letzten Tag in meinem
Leben.«“ [Quelle:klick]

Das Cover gefällt mir nicht ganz so gut, auch wenn ich den Blauton sehr schön finde. Irgendwie finde ich es nicht so richtig passend da es zu fröhlich wirkt und das Buch alles andere als fröhlich ist. Was mir aber sehr gut gefallen hat ist dass die Ecken des Buchs abgerundet sind. Das hab ich so bisher noch nie gesehen. Mal was anderes und irgendwie besonders.

Ich war neun Jahre alt, als meine Mutter beschlossen hat, dass sie das Leben nicht mehr mag.

Cherry ist einsam. Sie lebt mit ihrem Vater zusammen, einem cholerischen Verlagsboss, der alles und jeden hasst, inklusive seiner eigenen Tochter. Und das lässt er sie auch bei jeder Gelegenheit deutlich spüren. Ihre Mutter nahm sich in Cherrys Kindheit auf tragische Weise das Leben, was sie auch Jahre später noch sehr beschäftigt und ihr ganzes Dasein nachhaltig beeinflusst. Sie macht sich schreckliche Vorwürfe und denkt sie hätte den Freitod ihrer Mutter verhindern können und es scheint so als würde sie sich selbst auf jegliche erdenkliche Weise für den Verlust bestrafen wollen.

So läuft Cherry an Weihnachten nach einem Streit mit ihrem Vater davon, verletzt sich selbst und rutscht immer weiter ab, geradewegs in ihr Verderben. Aufgehalten wird sie nur von Landon, der in früheren Zeiten ihr Schwimmtrainer war. Er nimmt sie mit und lässt sie vorübergehend bei sich wohnen – und aus vorübergehend wird lange, aus lange wird immer.

In mühevoller Kleinarbeit bringt Landon Cherry wieder auf den richtigen Weg und doch hat sie immer wieder Rückfälle, kann sich gegen ihr innerstes nicht wehren und verfällt in alte Verhaltensmuster, die sie Stück für Stück kaputt machen.

Cherry verkörpert so ziemlich alles, was man selbst nicht sein will. Sie hat furchtbare Dinge erlebt und musste ohne Mutter aufwachsen. Sie vermisst sie schmerzlich und gibt sich selbst die Schuld an ihrem selbst gewählten Tod. Cherrys Vater ist ihr auch keine Hilfe, im Gegenteil, er hackt nur immer weiter auf ihr rum sodass sie irgendwann wegläuft und bei Landon unterkommt.
Der hilft ihr wirklich gut wieder auf eigenen Beinen zu stehen und nicht bei jedem Windstoß umzufallen und doch verfällt Cherry immer wieder zurück in selbstverletzendes Verhalten. Man will sie als Leser permanent durchschütteln und ihr irgendwie helfen, auch wenn man weiß dass sie sich nur selbst helfen kann.

Ich war damit beschäftigt herauszufinden, in welche Richtung die Welt sich dreht und wie schnell man laufen muss, um nicht als Letzter den nächsten Tag zu
erreichen.
– Seite 20

Den Vater habe ich verachtet, die Mutter irgendwie auch denn wie konnte sie nur die kleine Cherry bei diesem Tyrann lassen und sich das Leben nehmen? So sehr es vielleicht auf der einen Seite verständlich erscheint was sie getan hat, so sehr kann ich auf der anderen Seite nicht begreifen wie eine Mutter ihr kleines Kind sich selbst überlassen kann. Dass Cherry sich hierfür ihr Leben lang mehr oder weniger die Schuld gibt kann ich sehr gut verstehen und ich denke das würde wohl jedem so gehen.

Es ist kein Gesetz der Welt, dass jemand da ist, der sich darum bemüht, die Zeitscherben mit dir aufzusammeln. – Seite 93

Die Wendung, die eintritt als Cherry den Rockstar Scratch kennenlernt, fand ich sehr gelungen. Sie findet sozusagen ihre Bestimmung im Schreiben von Musiktexten, worin sie auch sehr erfolgreich ist. Und Scratch nimmt auch einen besonderen Platz in Cherrys Leben ein.

„Bevor ich falle“ verrät wieder viel über Lilly Lindner und geht wirklich unter die Haut, wenn man mit ihrem Schreibstil zurecht kommt. Alles weitere müsst ihr einfach selbst lesen und euch ein eigenes Bild machen. Ich liebe ihren Schreibstil und vergebe an „Bevor ich falle“ 5 von 5 Sternen.

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Lilly Lindner wurde 1985 in Berlin geboren. Bereits mit fünfzehn begann
sie autobiographische Texte und Romane zu schreiben. Viel Zeit verbringt
sie heute mit der Arbeit mit Kindern.





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