Lori Nelson Spielman – Nur einen Horizont entfernt [Hörbuch-Rezension]

Titel: Nur einen Horizont entfernt
Autor: Lori Nelson Spielman
Erschienen: 21.05.2015
Verlag: Argon Hörbuch Verlag
Länge: 7 Stunden
Sprecher: Eva Gosciejewicz
Reihe: nein

„Mit zittrigen Fingern öffnet die TV-Moderatorin Hannah Farr einen
Brief. Der Absender ist eine ehemalige Schulfreundin, die sie jahrelang
gemobbt hat. Die Frau bittet sie nun um Vergebung. Dem Brief beigelegt
sind zwei kleine, runde Steine und eine Anleitung. Einen Stein soll sie
als Zeichen dafür zurücksenden, dass sie ihrer früheren Klassenkameradin vergibt. Den anderen soll sie an jemanden schicken, den sie selbst um Verzeihung bitten möchte. Hannah weiß sofort, wer das sein könnte: ihre Mutter. Aber soll sie wirklich zurück zu den schmerzhaften Ereignissen von damals und die Auseinandersetzung mit dem Menschen suchen, der sie am besten kennt? Denn Hannah hat etwas getan, das das Leben ihrer Mutter für immer verändert hat … “ [Quelle: klick]

Das Cover ist in pink und gelb gehalten, mit einer Pusteblume als Hauptmotiv. Ich finde es ganz schön aber eigentlich hat es meiner Meinung nach nichts mit dem Inhalt zu tun. Auch den Titel finde ich im Deutschen nicht gut gewählt, der englische Originaltitel „Sweet forgiveness“ ist da doch schon deutlich treffender.

Hannah Farr hat vermeintlich alles was sie im Leben braucht: Einen Freund, der sogar Bürgermeister ist, eine erfolgreiche Fernsehsendung und mit ihrer Vergangenheit hat sie auf den ersten Blick auch abgeschlossen. Doch der zweite Blick zeigt, dass eben das ihr wunder Punkt ist, denn Hannah hat den Kontakt zu ihrer Mutter vor vielen Jahren abgebrochen und nun erhält sie die sogenannten Versöhnungssteine und denkt darüber nach, ihrer Mutter einen davon zukommen zu lassen. Hannah überlegt ob sie ihrer Mutter verzeihen kann, dass sie sich für ihren Mann und gegen Hannah entschieden hat, obwohl dieser Hanna als Kind angefasst hat.

Dieses Buch bzw. Hörbuch lässt mich ziemlich zwigespalten zurück.

Hannahs vermeintlich tolles Leben zerbröckelt vor ihren Augen. Sie steht vor der Entscheidung, ob sie sich nochmal mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen soll, die sie eigentlich für sich schon längst abgehakt hatte. Sie wollte nie wieder mit ihrer Mutter und deren Mann Bob zu tun haben denn Bob hat sie vor Jahren beschuldigt, sie unsittlich angefasst zu haben. Nun muss Hannah sich aber eingestehen, dass sie sich nicht sicher ist ob ihre Wahrheit auch wirklich der Realität entspricht oder ob diese Berührung eigentlich nicht existiert hat.
Damit kommen wir dann auch schon zu dem Punkt, der mich wirklich gestört hat.
Man kann diese Frage mit Sicherheit auch so interpretieren, dass Lori Nelson Spielman darauf hinweisen will, dass eine Anschuldigung des sexuellen Missbrauchs nicht immer wahr sein muss und dass Menschen Dinge tun um anderen zu schaden, ohne zu wissen was sie wirklich damit anrichten.
Die Umsetzung in „Nur einen Horizont entfernt“ hat mich aber wirklich aufgeregt.

[Achtung – Spoiler Alarm]

Hannah hat die Anschuldigung des sexuellen Missbrauchs zu ihrem Vorteil genutzt um Bob loszuwerden und auch Jahre später hält sie lange daran fest. Bob hat seinen Job verloren und den Kontakt zu seinen Kindern, er wird immer als das Opfer der Anschuldigungen dargestellt. Doch im Grunde erfahren wir im Laufe des Hörbuchs gar nicht genau, ob es zu einem Missbrauch kam oder ob Hannah sich das ganze nur eingebildet hat. Wir wissen nicht, ob ihre Anschuldigungen nicht doch zu Recht geschehen sind. Sie gesteht sich die Tat als Lüge ein und entschuldigt sich bei allen Beteiligten.
Was wird hiermit denn für ein Bild vermittelt? Wenn sich ein Kind sexuell bedrängt fühlt dann hat es verdammt noch mal auch das Recht das zu äußern! Und wenn die Mutter dann zu dem Mann hält dann hat das Kind auch jedes Recht der Welt, den Kontakt abzubrechen! Wenn sich dann hinterher alles als Lüge herausstellt, dann ist es auch eine Lüge und natürlich nicht in Ordnung aber wenn auch nur der geringste Verdacht bleibt, dass der Mann eine andere Absicht gehabt haben könnte, dann ist das nicht entschuldbar. Und dieser Verdacht bleibt bei „Nur einen Horizont entfernt“ für mich.
Natürlich kann das Kind dann trotzdem der Mutter und auch dem Mann verzeihen. Das sind für mich zwei unterschiedliche Themen und die Versöhnung in diesem Buch ist auch gut ausgearbeitet. Aber Hannah fühlt sich schuldig und verliert erstmal ihr ganzes altes Leben weil sie alles auf Lügen aufbaut und ihre Anschuldigungen als Lüge akzeptiert, diese aber gar keine Lüge war. Die Botschaft, dass man auch schlimme Dinge verzeihen kann und sollte, kann ich akzeptieren und finde sie auch gelungen herausgearbeitet. Aber wer dieses Buch als reine Versöhnungsgeschichte nimmt, der hinterfragt den Hintergrund meiner Meinung nach nicht genug.

[/Spoiler]

Für mich bleibt da ein sehr bitterer Beigeschmack. In meinen Augen ist der Aspekt des eventuellen Missbrauchs und dessen Umsetzung ein Schlag ins Gesicht für jeden misshandelten Menschen, der sich nicht traut etwas zu sagen aus Angst davor, dass alles als Lüge abgestempelt werden könnte. Und auch wenn diese Wirkung bestimmt von der Autorin nicht beabsichtigt war empfinde ich es als inakzeptabel. Ich denke dass die Trigger-Gefahr hier auch groß ist und nicht unterschätzt werden sollte.
Die Sprecherin des Hörbuchs, Eva Gosciejewicz, liest emotional aber auch sie kann die Geschichte nicht besser machen als sie ist.
Ich habe lange überlegt hier 1 oder 2 Sterne zu vergeben. Da alle anderen Ebenen der Geschichte mir aber gefallen haben und eine gewisse Spannung nicht von der Hand zu weisen ist, vergebe ich dann doch für „Nur einen Horizont entfernt“ 2 von 5 Sternen. Zu mehr kann ich mich aber nicht hinreißen lassen, dafür ist mein Gefühl nach dem hören des Hörbuchs zu negativ.
Hier gelangt ihr zur kostenlosen Hörprobe: Klick
Eva Gosciejewicz studierte Schauspielkunst am Max-Reinhardt-Seminar in
Wien. Es folgten Engagements u.a. an den Kammerspielen München, dem
Bayerischen Staatsschauspiel und dem Theater Bremen. Neben ihrer Arbeit
am Theater ist sie in zahlreichen Hörfunk- und Hörbuchproduktionen zu
hören, sowie in verschiedenen Film- und Fernsehproduktionen (u.a. Tatort, Polizeiruf 110) zu sehen. Sie ist eine unwiderstehliche Hörbuchinterpretin, die mit Charme, Temperament und Ausdruckskraft begeistert.

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